Johannes Greger                       Helianthen

1782 - 1864                                                    an Gottfried Angelius Fischer

 

 

Zueignung

 

1.

 

Ja, Freund, mir will das Herz nun höher schlagen!

Der große Boierbarde gottgesendet

Hat meinem Geiste Schwingen zugewendet,

Die jubelnd ihn dem Erdentand enttragen.

 

Zu Sternen kreisend will ich Töne wagen.

Von oben nur kommt hohe Kraft gespendet,

Von oben Licht, das nie die Sonne blendet,

Von oben Trost in schweren Leidenstagen.

 

Zur ew’gen Sonne, die mit reinem Strahle

Herniederflammt dem dunklen Erdenthale,

Will ich so Herz wie Auge still erheben.

 

Jed Gräschen, Blümchen, will es fromm gedeihen

Und blüh’n in seines Lebens kurzem Maien,

Jed sieht man auf zum Lichte Gottes streben!

 

 

2.

 

Die Welt mit allen ihren Herrlichkeiten,

Mit allen Freuden, die uns sie verspricht

Und kaum gewährend wieder falsch zerbricht,

Kann sie ein dauernd Glück uns je bereiten?

 

Zerstürzt in rauhem Wechselspiel der Zeiten,

Liegt jetzt in ew’ger Finsterniß selbst nicht

Des Erzkolosses sonnig Wunderlicht,

Die Nacht erhellend einst auf Meeresweiten?

 

Was weinst du, kurze Lust in Veilchentagen?

Sieh, aus der Welt zerstobenen Ruinen

Ist mir des Lebens Phönix neu erschienen!

 

Des Staubes blinden Fesseln längst entschlagen,

Beherzt kann ich in frohe Zukunft schauen,

Bricht einst mein sterblich Aug’ in Todesgrauen!

 

 

 

 

Sonettenkranz

 

1.

 

Vielmanches frohe Lied hat mir erklungen,

Um mich der Thränenheimath zu entheben.

Sanft hielt der Phantasie ätherisch Weben

Mit süßen Rosenarmen mich umschlungen.

 

Noch immer lock’ ich Balsamlinderungen

Im Liede her, wenn Leiden mich umschweben.

Aus goldner Musenquelle strömt mir Leben.

Des Liedes Macht, sie hat mein Herz durchdrungen.

 

Gesang gibt mir des Daseyns Freuden wieder.

Gesang ist mir der mächtige Magnet.

Er zieht das Schöne mir vom Himmel nieder.

 

Und hat mir auch der Muse Duft geweht;

Es tönten doch die meisten meiner Lieder

Für einen Traum, der mit der Zeit vergeht!

 

 

2.

 

Für einen Traum, der mit der Zeit vergeht,

Nur bittre Täuschung sollt’ ich mir erwerben?

Kein höh’res Gut bestimmte Gott zu erben,

Ein ewiges, um das der Weise fleht?

 

Was sagt des Herzens Stimme, dein Prophet?

Dies sagt sie kräftig wahr: „Du wirst verderben,

Wirst mit dem Weltling fried- und freudlos sterben,

Wenn nicht auf heil’gem Grund dein Leben steht!“

 

Was ist die Welt? Was welkt in Rosentagen.

Was ihre Lust? Ein Rad am Leichenwagen,

Ein Nichts, in ew’ger Taumelsucht gedreht.

 

Der Erde Traum, so herrlich windgetragen,

Liegt ausgeträumt schon morgen sturmzerschlagen

Wie Veilchen, so der kurze Lenz gesät!

 

 

3.

 

Wie Veilchen, so der kurze Lenz gesät,

Zerstaubt in einem Hauch’ dieß Mückenleben.

Zerstaube denn! Gott wird ein bess’res geben,

Ist hier mein Lebensveilchen hingemäht.

 

Drum wie mit allgewaltigem Magnet

Der Glaubenskraft die Sonnenblumen streben,

Zum Lichtquell bin der Krone Gold zu heben,

In Sonnenantlitz glanzgeherrlichet:

 

In Gottes Strahlen will mein Lied ich sonnen,

Und diese Lust, die seligste von allen,

Sie ist kein Traum. in trügend Nichts zerronnen.

 

Herz, steh’ mir fest, von nun emporgerungen!

Die Welt kann dir nur diese Loosung schallen:

„In Staub sinkt wieder hin, was ihm entsprungen!“

 

 

4.

 

In Staub sinkt wieder hin, was ihm entsprungen.

Soll himmelauf ich nie das Herz dir ziehen,

Ein heilig Lied denn nie in dir erglühen,

Mein Klang erschallen sternenan entschwungen?

 

O die ich dir so oft in Lust erklungen,

Entweh’n möcht ich in frommen Poesieen

Den Geisterhauch beschwingter Harmonieen

Für Ihn, Deß Ruhm das Weltenall durchdrungen!“

 

So ruft mir selbst der Harfe Wonnebeben.

Wohlan, mit Jubel wollen wir verweben

Des Tönebundes Doppelhuldigungen!

 

Mein reiner Goldstern glänzet mir nur oben.

Dort blüht mein Heil, von keiner Macht zerstoben.

Nur Gott sey nun mir immerdar besungen!

 

 

5.

 

Nur Gott sey nun mir immerdar besngen,

Wie es der Geist in seligstem Entzücken

So oftmal steht mit gottergebnen Blicken,

Die sehnsuchtvoll zur Ewigkeit gedrungen!

 

Ihr Engel, leiht mir eure Flammenzungen!

Auf euren Schwingen möcht’ ich mich entrücken,

Der Erde fern im Himmel mich beglücken,

Vom Jubelmeer der Geisterwelt verschlungen!

 

Als Freudenthräne möcht’ ich ganz zerrinnen

In hohes seraphimisches Gebet

Und ew’ge Sternenpalmen mir gewinnen!

 

Auf Himmelsgipfeln steh’ ich lusterhöht,

Läßt mich zu Seinem Lob ein Lied ersinnen

Der Höchste, Der in ew’ger Macht besteht!

 

 

6.

 

Der Höchste, Der in ew’ger Macht besteht,

Ist höchster Jubel für der Harfe Saiten.

Voll Seiner sind des Alles Raum und Zeiten,

Und Welten rollen, wo Sein Odem weht.

 

Ob Alles sich in stätem Wechsel dreht;

Nur Seine Hand kann Ewiges bereiten,

Und uns zu unbegränzten Fernen leiten,

Wo fessellose Lust kein End’ erspäht.

 

Wer gibt mir hohe Wortgluth Ihn zu nennen,

Vor Dem der Erd- und Himmelskreis vergeht

Und Millionen Sonnen lobentbrennen?

 

Die höchste Macht, die höchste Majestät,

Den Vater darf ich ja in Ihr erkennen,

Zu dem der Staubmensch, wie der Cherub fleht!

 

 

 

7.

 

Zu dem der Staubmensch, wie der Cherub fleht.

Er bleibt die Weisheit, nirgend ausgegründet,

Die Allmacht Er, allüberall verkündet

Am Wurm und Aar und was der Blick erspäht.

 

Ob dieser Erdball jetzt in Graus vergeht,

Der Sonne Feuermeer entloschen schwindet,

Die Welt in schwarzer Trümmernacht erblindet –

Nein, Nein, ich bange nimmer todtumweht!

 

Auf Gott ja kann ich feste Säulen bauen,

Die zu des Himmels Demantpforten ragen.

Nie waltet Gottes Felsenarm bezwungen.

 

Zu Ihm nur will ich stäts vertrauend schauen

In dieses Lebens Sturmgewittertagen.

Ihm weihen alle Wesen Huldigungen!

 

 

8.

 

Ihm weihen alle Wesen Huldigungen.

Nur seinem Ruhm strebt jedes zu entfalten

In vollem Drange wechselnder Gestalten.

Ihn Donnern laut der Blitze Flammenzungen.

 

In voller Seligkeit zu Gott entschwungen,

Rings preist die Lerche Seiner Liebe Walten,

Ihn jauchzt der Aar, in seinem Schutz erhalten

Und kühn empor zu Sonnenhöh’n gerungen.

 

Sein Name heißt im ganzen Schöpfungskreise:

Der Wundervolle. Was er schuf, erkoren

Ist alles zu des Ew’gen ew’gem Preise.

 

Und ist nicht auch der Mensch mit Geistesschwingen

Für Seines Lobes süßen Dienst geboren?

Mein Leben soll nur meinem Schöpfer klingen!

 

 

9.

 

Mein Leben soll nur meinem Schöpfer klingen!

Er hat es mir so göttlichmild gewährt,

Mit Vaterhuld erhalten unversehrt,

Entwirrt aus viel versteckten Todesschlingen.

 

Mein Leben will ich meinem Schöpfer bringen.

Nur Liebe, Liebe ist, was Er begehrt,

Und als des Zieles höchsten Preis beschert

Er Seinen ganzen Himmel uns’rem Ringen.

 

Nach Gottes Wort allein will ich mich fügen,

Mit Gottes Gnade sterbend glorreich siegen.

Vor Gottes Thron erst tagt des Lebens Licht.

 

Des Herzens dankbar Liederopfer walle

Auf süßem Weihrauchduft zur Sternenhalle!

Doch kann ich auch, was kühn mein Herz verspricht?

 

 

10.

 

Doch kann ich auch, was kühn mein Herz verspricht?

Wer kann den Unerforschten würdig denken,

Vor dem sich selbst des Seraphs Flügel senken,

In tiefsten Staub gebeugt das Angesicht?

 

Ein Sterbling will schon schauen Gottes Licht,

Den Erde noch und Endlichkeit umschränken,

Deß Blicke noch in trübem Nebel lenken?

Wie meine, altern Seine Jahre nicht.

 

Der Stimme Laut will plötzlich mir ersticken.

Ihn nur zu stammeln mir die Kraft versiegt.

Herr, darf ich nicht an Dir mein Herz erquicken?

 

Und Dich, den Allerhöchsten, zu erheben,

Dem Erd’ und Himmel tief zu Füßen liegt,

Wird nicht zurück die schwache Harfe beben?

 

 

11.

 

Wird nicht zurück die schwache Harfe beben?

Kann sie den Würdigsten je würdig tönen?

Mir dünkt, als hört’ ich sie in Wehmuth stöhnen:

„Zersprungen ist mein allzu kühnes Streben.

 

Ringsum in stummen Trümmern liegt mein Leben.

Die ew’ge Majestät mit Lob zu krönen!

Dürft ihr, o Saiten, straflos Sie verhöhnen,

Die noch an sünd’gem Erdenroste kleben?

 

Vor seinem Angesicht ist Niemand rein.

O reize Gott, den Heiligen allein,

Nicht zum Gericht mit stolzvermeßnem Ringen!“

 

So wank’ ich zwischen Furcht und Zuversicht.

Doch armes, armes Herz, verzage nicht!

Dem Herrn gelobt, es wird mit Ihm gelingen!

 

 

12.

 

Dem Herrn gelobt, es wird mit ihm gelingen.

Der Höchste auf den Welten ew’gem Throne,

Er ist mir Vater auch, dem Erdensohne,

Und zürnt nicht, will ich stammelnd Ihn lobsingen.

 

Wer Gutes will, Gott hilft es ihm vollbringen.

Trübt auch in meinem Lied’ und Harfentone

(O Vater, Allerbarmer, schone, schone!)

Des Sünders Erdenrost das reine Klingen:

 

Der unser Vater ist, uns ewig liebet,

Barmherzigkeit am armen Sünder übet,

Des Herzens reuig Lied verschmäht Er nicht.

 

Im Staube nur, in Demuth will ich liegen.

Nicht mehr soll eitles Wesen mich betrügen.

Nur Muth! Ich kämpfe, bis mein Auge bricht!

 

 

13.

 

Nur Muth! Ich kämpfe, bis mein Auge bricht!

Um eine Seligkeit in ew’gen Sphären,

Wo all die edlen Triebe sich verklären,

Der Seele Lust sich sonnt in reinstem Licht.

 

Kampf, Kampf ist jedes Erdlings eh’rne Pflicht.

Sieg kann ihn dort erst mit Triumphen ehren.

Der Erde wir nur zeitlich angehören.

Die Erde gibt und nimmt das Leben nicht.

 

Ja Herz, in Lied und Liebe gottergossen,

Dir ist ein ew’ger Himmel ganz erschlossen,

Wo höh’re Harmonieen dich umschweben!

 

Nur Muth! Mit ganzer Seele will ich ringen,

Dem Würdigsten den tiefsten Dank zu bringen.

Denn los von Gott ist eitel alles Leben!

 

 

14.

 

Denn los von Gott ist eitel alles Leben,

Verloren alles Mühen, alles Ringen.

Ein frommer Blick zu Ihm wird segen bringen,

Verderben jeglich gottvergeßne Streben.

 

Von oben stammt der Geist, von Gott gegeben.

Nach oben soll er sich nicht wieder schwingen

Und Irdisches mit Göttlichem bezwingen

Im Siegesflug’ mit jauchzendem Erbeben?

 

Leb’ wohl, du Welt, du schöner Todtenkranz,

Du Augenblick, geträumt in Flitterglanz!

Dein Zauber hält mich nimmer trugumschlungen.

 

Froh sing’ ich einst in meiner Todeszeit:

„Für Dich, o Vater aller Seligkeit,

Vielmanches frohe Lied hat mir erklungen!“

 

 

Meistersonett

 

Vielmanches frohe Lied hat mir erklungen

Für einen Traum, der mit der Zeit vergeht

Wie Veilchen, so der kurze Lenz gesät.

In Staub sinkt wieder hin, was ihm entsprungen.

 

Nur Gott sey nun mir immerdar besungen,

Der Höchste, Der in ew’ger Macht besteht,

Zu Dem der Staubmensch, wie der Cherub fleht!

Ihm weihen alle Wesen Huldigungen.

 

Mein Leben soll nur meinem Schöpfer klingen!

Doch kann ich auch, was kühn mein Herz verspricht?

Wird nicht zurück die schwache Harfe beben?

 

Dem Herrn gelobt, es wird mit Ihm gelingen.

Nur Muth! Ich kämpfe, bis mein Auge bricht.

Denn los von Gott ist eitel jedes Leben!

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachklänge

 

1.

 

Und dennoch, Herr, von Ewigkeit entsprungen,

Will ich der Liebe Lied Dir wieder bringen,

Wollt’ auch des Staubes Harfe mir zerspringen,

Mit ihr mein Herz,von Wehmuth tief durchdrungen.

 

Ob mit beredter Macht der Feuerzungen,

In Ewigkeit in Deines Lobes Schwingen

Geübt, selbst Seraphchöre stammelnd ringen:

Sey doch auf frommer Bahn mir fortgerungen!

 

O die mir oft so himmlischfroh erklang,

Du treugeliebte Freundin meinem Herzen,

Mein Trost, mein süßer du in Lust und Schmerzen:

 

O Harfe, laß des Sängers neuen Drang

Belebt erfleh’n an Deinem Wonneglühen

Und meine Huldigung Ihm neu erblühen!

 

 

2.

 

O Herr, wie könnt’ ich denn mit allem Streben

Dein ganzes, hohes Lob versammelnd sinen,

Wie Deines Ruhmes Weltall windend bringen

In eines Kranzes enggeschränktes Weben!

 

Soviel gen Himmel Berge sich erheben,

Und Wasser in das große Weltmeer dringen,

Im Lenz aus tausend Knospen Blüthen springen,

Und Welten in des Aethers Höhen schweben:

 

So ist, hoch über meines Geistes Schwingen,

Die mit des Staubes tiefster Ohnmacht ringen,

Unendlich, ewig, Herr, wie Du, Dein Lob!

 

O liebend schufst Du unsern Geist darob

Für eine Ewigkeit in sel’gen Auen,

Um Deiner Wunder Unzahl ganz zu schauen!

 

 

3.

 

Mein Lied, es ist ein Sonnenstäubchen bloß,

Das, sanft von Deinem milden Hauch belebt,

In Deiner Sone freudig spielt und webt,

Ein Stäubchen, winzigklein, kaum pünktchengroß.

 

Wie mächtig auch des Geistes Ruder strebt;

Hin ew’ge Meere schiffte sturmumbebt

Und tief versinkend port- und ankerlos,

Wer je der Allmacht Lob in Töne goß.

 

Herr, laß in solchem Schiffbruch mich vergehen,

Und froher werd’ ich einst vom Grab erstehen

In schön’rem Himmelsglanz der Morgensonnen!

 

In Deines Lebens Ozean, zu Dir

Nimm gnädig einst mein Lebenströpfchen mir!

Am besten quillt es fort, in Dich verronnen!

 

 

4.

 

Drum will ich ohne Bangen täglich leben

Schon jetzt für jenen Tag, wo einst ich sterbe –

Nein, wo ich erst den Thron des Lebens erbe,

Mit ewigjungem Palmengrün umgeben.

 

Und wird mir eine Kron’ entgegenschweben,

Die ich um dieses Lebens Töpferscherbe

Und kurze Scheidemünze mir erwerbe.

Unsterblich, selig wird sie mich erheben.

 

Wo hat mich hin mein kühner Sinn getragen?

O Gott! noch wandel’ ich herum auf Erden.

Wird wohl die Krone mir, die süße, werden?

 

Nicht darf ich gar der Zukunft Dunkel klagen,

Das uns der Unerforschte hier beschied.

Ich lieb’ in Wonne, lieb in Schmerz Sein Lied!

 

 

5.

 

Er will, die höchste Majestät und Macht,

Mit Vaterarmen Alles sanft umschlingen,

Will Liebe nur mit Liebe mild erzwingen,

Stäts nur auf unser ewig Heil bedacht.

 

O darf die Sehnsucht nicht aus finstrer Nacht

Zu lichtem Himmessaale sich erschwingen,

Wo uns der schönsten Feste Reih’n umringen,

Das Herz in Freuden wogt, das Auge lacht?

 

O Lust in Gottes goldnen Sternenhallen!

O ew’ger Tag um Gottes Thron ergossen!

O volles Meer in Wonnen überfließend!

 

O Thränen, hier der Leiden Kampfgenossen

Und dort so süß in freud’gem Überwallen

Des reinsten Regenbogens Perlen gießend!

 

 

6.

 

Wo bin ich? Meinem Arme will entsinken

Das Saitenspiel; in Himmelsharmonieen

Und Gott verloren will mein Geist entfliehen

Und schon aus ew’gem Lebensmeere trinken.

 

Halt ein, voreilig Herz! Gott wird schon winken.

wann einst der Tod, von Seiner Huld verliehen,

Dein müdes Leben wird nach oben ziehen,

Mag dir der Wonne Meer zuströmend blinken!

 

Herr, laß mir dann, erlöst der ird’schen Glieder,

Auf reiner Tugend goldnem Glanzgefieder

Zu Dir den Geist entschweben ätherleicht!

 

Erst dort kann Dir mein hohes Lied erschallen,

Das Herz in Jubel hoch mir überwallen,

Hab’ ich des Himmels sichern Port erreicht!

 

 

7.

 

Ihr gottgeweihten Engelchöre, lehrt,

O lehrt mich dort den höchsten Vater preisen,

Von Dessen Glanz die Sonnen dienstbar speisen

Und Den die ganze Schöpfung freudig ehrt!

 

Dann will ich, rein als Himmelsgast bewährt,

Mich drängen unter eure Jubelweisen

Für Ihn, um Den beherrschte Welten kreisen,

Will, Halleluja! rufen lustverklärt:

 

„Ja, Herr, nur Dir und keinem Andern mehr,

Sey ewig Lob, Anbetung, Ruhm und Ehr’!

O himmlisch süße Rückerinnerungen!

 

Zur Erde schau’ ich nieder; denn schon dort

Für Dich, o Herr, Du meines Heiles Hort,

Vielmanches frohe Lied hat mir erklungen!“

 

 

8.

 

Was ich in Lust gelobt, was ich gesungen,

Laß Dir des Liedes Opfer wohlgefallen,

Wie Weihrauchdüfte Dir zum Himmel wallen!

Ein Stäubchen ist’s, von mir, dem Staub, entsprungen.

 

Was in der Seele leis mir aufgeklungen,

O dürft’ es nur als fernster Nachhall schallen

Von jenem Preis, der längst den Sternenhallen

Dir rauscht von Myriaden Geisterzungen!

 

Was klang so plötzlich denn von freiem Willen

Mein süßes gottgeweihtes Heiligthum,

Die Harfe, lauten Nachakkord mir zu?

 

Wohl in der Mittnacht, in der heiligstillen,

Voll dankerfüllter Liebe tönest du,

Von Geisterhauch durchsäuselt, Gottes Ruhm!

 

 

9.

 

Schon leis und leiser schweigt um mich die Nacht.

O heil’ge Geisterstille, rings entweht!

O Mond, in voller Strahlenmajestät

Umkränzt von sternvereinter Zauberpracht!

 

O Schöpfung, jetzt erst feierlich erwacht,

Wo Alles ruht vom Schlummer übersät,

Und ungestörte Bahnen schwindelnd geht

Mit Mond und Sternen schnelle Geistesmacht!

 

Nun ruhr, Harfe, du liebherzigtraut

Die süße Tongespielin meiner Lieder!

Jetzt ruft auch mich die Nacht, des Schlummers Braut.

 

Begrüßt von Gottes erstem Morgenstrahl

Ertöntest du für Ihn schon morgen wieder.

Gott, unser Vater, bleibt die beste Wahl!